Ok, da ich sehr höflich und rücksichtsvoll behandelt wurde, schlüpfte ich in meine Kleider und liess mich dazu bewegen, zur Aushändigung meiner Ausweispapiere aus dem WOMO zu steigen. Obwohl ich das Angebot einer Zigarette ausschlug, sprachen wir dann noch über Gott und die Welt. Zum Abschied bestätigten mir die Sicherheitsmänner und der Polizist, der wohl beim Anblick des WOMOs zu Hilfe gerufen wurde, dass ich mich auf dem bestbewachten Platz von Prizren befände. Beruhigt legte ich mich ins Bett; nicht etwa zum Schlafen, sondern zum Denken.
Es muss sich etwas verändern. Alleine kann ich also nicht nach Malisheva fahren, wo sollen wir dann bedürftige Menschen finden? Habe ich diese teure Fahrt umsonst gemacht?
Gestern Abend sprach ich im Einkaufscenter noch lange mit Abdul (den Namen habe ich aus Sicherheitsgründen geändert). Um sein Studium zu finanzieren arbeitet er als Verkäufer. Seine Meinung über seine Landsleute fiel nicht gerade löblich aus. Am liebsten würden die meisten Männer Kaffee trinken, nichts tun und nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz reisen, um vom Sozialgeld zu leben. Sein Vater sei in der Kriegszeit in die Schweiz geflüchtet und hätte, wie die Schweizer übrigens auch, für seinen Lohn hart arbeiten müssen. Zurück im Kosovo ermahne er seither alle Landsleute, hart zu arbeiten, um für den Kosovo den Standard der wohlhabenden Länder zu erreichen. Ich bin beeindruckt. Die Idee, in der katholischen Gemeinde nachzufragen, wer Hilfe benötige, fand er gut. Er schämte sich aufrichtig für mein Problem, keine wirklichen Abnehmer für die Hilfsgüter gefunden zu haben.
Um 10:00 Uhr kam mein Begleiter. In der Zwischenzeit hat er vom Pfarrer die Adresse eines Behindertenheimes bekommen, das dringend Hilfe benötigt. Seine Frau hat schon in diesem Heim gearbeitet. Tönt gut. Trotzdem ein grosses Fragezeichen an sein Verhalten. Weiss er überhaupt, was bedürftige Menschen sind, wenn er sich mit Hilfsgütern für bedürftige Menschen eindeckt. Warum führte er mich nicht schon gestern an diesen Ort?
Link zu einem Bericht im "gazetaexpress": http://www.gazetaexpress.com/lajme/rrefimi-per-humanisten-qe-kujdeset-per-femijet-me-aftesi-te-kufizuara-mendore-77122/?archive=1
Fotos: https://plus.google.com/photos/105188638718646371033/albums/6115102412614272881
Es lag um die Ecke. Übers Wochenende sind nur die Erwachsenen im Haus, unter der Woche kämen dann viele Eltern mit ihren behinderten Kindern. Die Leiterin (Direktorin) und ihr Mann wurden gerufen und trafen kurze Zeit später ein. Ja, jetzt war ich an der richtigen Adresse. Wir konnten die ganze Ladung abgeben. Dankbar oder nicht ... keine Ahnung.
Noch ein Wort zu den Türken. Die türkische Armee vor Ort liefert das Mittagessen für die Heiminsassen. Die Schweizer würden die kosovarischen Mitarbeiter schlechter bezahlen als dies die Türken tun. Politisch gesehen täten sie dies jedoch nur, weil sie in absehbarer Zeit den Kosovo sowieso einverleiben wollen. Sei es wie es sei. Politische Statements sind nicht meine Aufgabe. Ich beurteile die Gegenwart aufgrund von dem was ich sehe und erlebe, unter Einbezug meiner Kenntnisse von Vergangenheit und Zukunft.
Die drei Häuser sind an den Hang gebaut,
mit einer wunderbaren Sicht auf Prizren.
Von seiner Frau und den vier Mädchen, die sich in den neuen Kleidern präsentierten, wurde ich herzlich empfangen. Bei Kaffee und Süssigkeiten plauderten wir noch über dies und das. Um 14:00 Uhr machte ich mich wieder auf den Weg zurück nach Albanien. Etwas sehr früh, ich musste erst kurz vor der Torschliessung um 21 Uhr auf dem Stellplatz sein.
Die Zeit hätte ich eigentlich noch gerne genutzt, um Amselfelder Wein einzukaufen und nochmals einen Kebab zu essen. Leider kam es mir zu spät in den Sinn, dass die Verabschiedung von meinem Guide nicht geheissen hat, dass ich sofort zurückfahren muss. Manchmal denke ich etwas langsam oder vielleicht waren es einfach die vielen Eindrücke, die in so kurzer Zeit auf mich einschlugen.
Bis anhin konnte ich mir meine Reiserei und die von mir geleisteten Unterstützungen nur leisten, weil ich meine Ansprüche aufs Minimum reduziert und teilweise auch ohne festen Wohnsitz gelebt habe. Meine Freunde haben mich auch immer wieder grosszügig unterstützt. Ich weiss sehr genau, was Armut ist. Ausser den drei Familien zuhinterst im Haztal und den Jugendlichen im Behindertenheim habe ich im Kosovo keine Armut gesehen, für die es sich lohnt, nochmals in den Kosovo zu fahren.
1. Nachtrag!!!
... bis dahin habe ich im Kosovo keine Armut gesehen... ausser... die drei Familien und das Behindertenheim. Mir war klar: Mein Guide gehört zu dieser Sorte Mensch, die im Defizitdenken hängen geblieben sind.
Wer zwischen den Zeilen Informationen findet, hat bekanntlich mehr vom Lesen.
2. Nachtrag:
Das war die Aufforderung, zwischen den Zeilen zu lesen, dass ich 1. Nachtrag erkannt hatte.
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